In diesem Jahr feiert LEGO Star Wars sein 25-jähriges Jubiläum und begeistert damit nun schon seit einem Vierteljahrhundert all jene, die sich den Abenteuern in einer weit, weit entfernten Galaxis und den bunten LEGO Steinen gleichermaßen verbunden fühlen. Was als innovative Partnerschaft zwischen LEGO und Lucasfilm begann, entwickelte sich schnell zu einer der beliebtesten und erfolgreichsten Themenreihen in der Geschichte des dänischen Spielzeugherstellers. Mit teils ikonischen Sets, die die bekannten Raumschiffe, Schauplätze und Charaktere aus dem Star Wars-Universum nachbilden, ist diese Reihe mittlerweile nicht mehr aus dem Produktportfolio von LEGO wegzudenken. Höchste Zeit also für einen Rückblick auf viele spannende Hintergründe, mutige Entscheidungen und teils kuriose Auswüchse der in vielerlei Hinsicht wohl bedeutsamsten LEGO Themenwelt!
Mit der UCS Sail Barge (75397) sind nun alle Sets zum 25. Jubiläum von LEGO Star Wars offiziell vorgestellt. Aus diesem Anlass des Jubiläums begeben wir uns zurück in die Zeit der Entstehung der LEGO Star Wars Themenwelt und beleuchten in einer mehrteiligen Artikelreihe die Entstehung, Meilensteine und Entwicklung der Reihe in den vergangenen 25 Jahren. Dabei gehen wir auch der Frage auf den Grund, welchen Einfluss die Star Wars-Themenwelt auf das LEGO Portfolio und LEGO als Firma hatte und wie die LEGO Produkte umgekehrt auf das Star Wars-Franchise wirkten.
Inhaltsverzeichnis
Der Weg zur ersten großen Lizenzthemenwelt
Stößt man in der heutigen Zeit frisch (oder nach langer Pause) zum LEGO Hobby hinzu, so scheint Star Wars auf den ersten Blick nur eine Lizenzthemenwelt unter vielen zu sein, auch wenn die Anzahl der Sets höher als in den meisten anderen Bereichen ist – siehe unsere umfangreiche LEGO Star Wars Setliste. Zwischen Universal, Warner Bros., Nintendo, DC und zahlreichen Automobilherstellern bringt der Disney Konzern nicht nur Star Wars als Lizenz ein, sondern auch viele weitere Franchises, wie Marvel oder Indiana Jones. Doch mit Blick auf die mittlerweile 25-jährige Historie zeigt sich, dass LEGO Star Wars für die LEGO Gruppe und ihre Geschichte mehr ist, als nur eines von zahlreichen Lizenzthemen. Geht man zurück zu den Anfängen im Jahr 1997, so hatte diese erste Kooperation mit Lucasfilm einen großen und entscheidenden Einfluss auf die Firma LEGO und legte unter anderem auch einen wichtigen Grundstein für den enormen Erfolg in den 2010er-Jahren.
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt…
Gegen Ende der 90er-Jahre liefen bei Lucasfilm Ltd. die Vorbereitungen auf den ersten Film der kommenden Star Wars Prequel-Trilogie auf Hochtouren. Bereits im Rahmen der ersten drei Star Wars Filme knapp zwanzig Jahre zuvor hatte George Lucas gute Erfahrungen mit Merchandise-Produkten gemacht und durch einen geschickten Vertrag mit der Produktionsfirma 20th Century Fox auch den Großteil seines späteren Privatvermögens auf Basis der damals erworbenen Rechte am kompletten Merchandising erwirtschaftet.
Im Hinblick auf den bald anlaufenden Film Episode I holte Lucasfilm nun Angebote von verschiedenen Unternehmen ein, die passendes Spielzeug zum ersten Film der Prequels produzieren sollten. Eine dieser Firmen schlug daraufhin vor, Konstruktionsspielzeuge für Lucasfilm zu entwickeln. Für diesen Bereich bevorzugte Lucasfilm einigen Überlieferungen zufolge jedoch eine Zusammenarbeit mit LEGO. Die erste Filmlizenz im Sortiment entstammte demnach keiner Direktive der Firmenleitung in Billund, sondern wurde (auch LEGO-intern) aus den USA nach Dänemark getragen. Bis jedoch eine wirkliche Kooperation für eine Lizenzthemenwelt beschlossen werden konnte, mussten bei LEGO noch etliche Kritiker überzeugt und umgestimmt werden.
Widerstand in Billund
Prinzipiell war Lucasfilm einer Kooperation mit LEGO auch zuvor bereits nicht abgeneigt. Doch in Billund herrschte bis in die frühen 2000er-Jahre hinein eine sehr traditionelle Firmenkultur, die in vielen Aspekten noch auf den Gründer Ole Kirk Christiansen zurückging. Bis auf eine sehr kurze Episode in den 1970er-Jahren (die jedoch von vornherein als Übergangsphase angelegt war) standen bis zu dieser Zeit stets direkte Nachkommen des LEGO-Gründers an der Spitze des Unternehmens und führten dessen Stil fort. Dazu gehörten unter anderem eine Vermeidung von „Kriegsspielzeug“ und die in den 90er-Jahren zu einer Hybris verkommenen Überzeugung, selbst am besten zu wissen, was Kinder zum Spielen wollen. Wenig überraschend gab es deshalb auch innerhalb der Führungsebene zunächst heftigen Widerstand gegen die Anfang 1997 eingebrachte Idee, mit einem großen Filmstudio aus Kalifornien zu kooperieren.
Der Treiber dieser Idee war allen voran Peter Eio, der zum damaligen Zeitpunkt den Posten des President of the Americas bei der LEGO Gruppe innehatte, und in seinem Bestreben hin zu einer Kooperation insbesondere von Jill Wilfert (zum damaligen Zeitpunkt Senior Brand Manager der LEGO Gruppe) unterstützt wurde. Beide waren in den höchsten Gremien der LEGO Gruppe zunächst die prominentesten Fürsprecher der angestrebten Zusammenarbeit. Eio sah zu dieser Zeit in Nordamerika einen Boom bei Lizenzspielzeugen und erkannte, dass LEGO anderen Brachenriesen wie Mattel und Hasbro in diesem Bereich deutlich hinterherhinkte.
Bereits in der damaligen Zeit basierte die Hälfte aller verkauften Spielzeuge in den USA auf Lizenzprodukten. Im Zuge der ersten Gespräche zwischen der LEGO Gruppe und Lucasfilm präsentiere Jill Wilfert ein Pitch Deck mit dem Titel „The Power of the Brick“, in dem sie die Möglichkeiten und Chancen einer Zusammenarbeit aufzeigte. Gleichzeitig formulierte Peter Eio seine Vision einer Star Wars Themenreihe im LEGO Portfolio firmenintern weniger mit Bezug auf den kriegerischen Konflikt in den Filmen, sondern mit einem Fokus auf ein Fantasy-Abenteuer, bei dem Gut gegen Böse kämpft. „Space Wizards“ statt „Galaktischer Bürgerkrieg“ war seine Taktik, um die internen Kritiker zu überzeugen. Das Buch „Brick by Brick“ von David Robertson, das den Weg der LEGO Gruppe in die Beinahe-Insolvenz und den anschließenden Aufstieg zum größten Spielzeughersteller der Welt behandelt, widmet dieser – für den weiteren Verlauf der Firmengeschichte essentiellen – Überzeugungsarbeit ebenfalls einen längeren Abschnitt.
Showstopper: „Deutsche Mütter“?
Trotz dieser Bemühungen bestand in der Führungsriege weiterhin Sorge, wie Kunden das Thema aufnehmen würden. Kurioserweise wurde damals in Billund auch explizit darüber diskutiert, wie deutsche Mütter dieses Thema aufnehmen würden. In einem Interview mit dem Recognized LEGO Fan Medium Brick Fanatics erinnerte sich Jill Wilfert folgendermaßen:
“In particular, mothers in Germany tend to be very conservative – it was called Star WARS. We went out and did some research. What we really heard from the German mums was that they accepted it as fantasy. They also knew that their kids were going to want to have a Star Wars experience – they wanted them to have a LEGO Star Wars experience.”
Die Sorge war also, dass die als eher konservativ eingeschätzten Mütter hierzulande durch den Krieg in „Krieg der Sterne“ abgeschreckt würden. Nach einiger Marktforschung durch LEGO in den USA und in Deutschland kristallisierte sich jedoch heraus, dass Eltern durchaus zwischen realistischem Kriegsspielzeug und einer Fantasiewelt wie Star Wars differenzierten und sich auch vorstellen konnten, wie begeistert ihre Kinder von einer LEGO Star Wars Spielwelt sein würden.
Zusätzlich versuchten Wilfert und Eio dem restlichen Management klarzumachen, welchen Platz Star Wars weltweit in der Popkultur einnahm und welche Anziehungskraft dieses Franchise haben würde. Eio sah die größte Gefahr an einer Lizenzvereinbarung darin, sie gar nicht erst einzugehen und das Feld einem Konkurrenzunternehmen zu überlassen. Gemeinsam gelang es den beiden, einige der Kritiker nach und nach auf ihre Seite zu ziehen.
Überzeugt von den Umfragen unter den Eltern stimmte schließlich auch Firmenchef Kjeld Kirk Kristiansen der Kooperation zu, der überzeugt war, dass die Geschichten von George Lucas und die Kreativität von LEGO gut zusammenpassten. Entgegen weiterer Einwände mancher Führungskräfte setzte Kristiansen somit die bis heute andauernde Kooperation in Gange, die mittlerweile als eine der erfolgreichsten Partnerschaften in der Spielzeugbranche angesehen werden kann.
Die Lizenzvereinbarung
Nachdem die letzten internen Gegenstimmen überzeugt wurden oder zumindest verstummt waren, war der Weg frei für die erste große Lizenzkooperation im Spielzeugsortiment von LEGO. In einem Interview, das ich vor einiger Zeit mit Christian Faber führen konnte, erinnerte sich der damalige Creative Director der von LEGO regelmäßig beauftragten Designagentur Advance an die Schließung der Lizenzvereinbarung auf der Skywalker Ranch von George Lucas in Kalifornien:
„Ich war dort als Vertreter von Advance und außer mir waren noch ein Mitarbeiter von LEGO US und einer von LEGO Billund mit dabei. Wir saßen vor dem großen Besprechungsraum und warteten darauf, dass der Vertrag aus Billund gefaxt wurde. Es war solch ein Stapel Papier (zeigt eine große Spanne mit Daumen und Zeigefinger), den wir alle unterschreiben mussten. Ich unterschrieb hunderte von Seiten, ich hatte nicht einmal Zeit, sie alle zu lesen. Danach gingen wir in den Besprechungsraum und bekamen eine Einweisung in die beginnende Zusammenarbeit. Wir bekamen sogar einen ersten Blick auf Star Wars Episode I zu sehen! Es war ziemlich beeindruckend!“
Sonderrolle unter den Lizenznehmern
Anders als frühere Star Wars Spielzeuge von Kenner und anderen Firmen waren die Bausätze von LEGO durch die enthaltenen Einzelsteine nicht darauf beschränkt, ein bestimmtes Schiff oder einen Schauplatz aus den Star Wars Filmen darzustellen. Auch wenn die enthaltenen Teile eines Sets natürlich einen gewissen Rahmen vorgaben, konnten Kinder die angedachten Sets in alles Mögliche umbauen und mit weiteren Steinen kombinieren. In seinem persönlichen Blog beschreibt Christian Faber die damaligen Gedanken zur Kooperation zwischen LEGO und dem Star Wars Franchise übersetzt wie folgt:
„LEGO ermöglichte Kindern und Erwachsenen, die Raumschiffe und die Geschichte zu verändern. […] Die Idee war, dass LEGO Steine eine neue Interpretation der Macht darstellten. Eine Macht der Kreativität. Wenn man also 8 Triebwerke für seinen X-Wing haben wollte, war das jetzt möglich.“
Im Jahr 1998 verbildlichte Faber die von ihm beschriebenen Freiheiten des LEGO Systems in Form eines LEGO Werkstattzeltes auf dem Wüstenplaneten Tatooine, in dem man seine Raumschiffe bauen, umbauen und individuell gestalten kann.
Zum 25-jährigen Jubiläum kehrt LEGO in diesem Jahr mit dem vierteiligen Disney+ Special Rebuild the Galaxy und den zu Rebuild the Galaxy gehörigen Star Wars Sets wieder zu diesen Wurzeln zurück und präsentiert die Möglichkeit zum Umbau von Raumschiffen und der Umgestaltung des kompletten Star Wars Universums so direkt wie lange nicht mehr.
Neue Art der Produktentwicklung
Kurz vor der Jahrtausendwende waren die heute längst etablierten Prozesse zur Entwicklung von lizenzbasierten Sets bei LEGO noch Neuland und stellten das Designteam im Zuge der Entwicklung der ersten LEGO Star Wars Sets vor einige Herausforderungen. Den Designern, die bislang sehr frei darin waren, ihre LEGO Modelle selbst auszugestalten, waren die regelmäßigen Rücksprachen mit einem Lizenzgeber zunächst sehr fremd. Darüber hinaus wussten LEGO und Lucasfilm zu Beginn noch nicht, wie die jeweils andere Seite arbeitete und dachte.
Zudem gab es in der damaligen Zeit noch weitere Hürden, die aus heutiger Sicht kaum mehr in den Sinn kommen. Neben der Zeitverschiebung von neun Stunden zwischen Dänemark und der amerikanischen Westküste stellten auch die technischen Möglichkeiten ein Hindernis dar. Bevor die Fortschritte des Internets und der verfügbaren Hardware Videoanrufe zu etwas Alltäglichem machten, mussten die LEGO Modelle noch physisch in die USA gebracht werden, um von Lucasfilm abgenommen zu werden. Dabei begleitete immer ein Designer die Modelle persönlich, um diese wieder aufbauen zu können, falls sich während des Transports etwas ablöste oder das Set auseinanderfiel.
Im Rahmen dieser Abnahmen legte Lucasfilm (und heute Disney) natürlich vor allem Wert darauf, dass die Produkte die jeweiligen Raumschiffe, Schauplätze und Figuren aus den Filmen akkurat genug wiedergeben. Es war jedoch auch von Beginn an klar, dass LEGO Sets keine exakten Nachbildungen wie im Modellbau ergeben würden. Neben den gegebenen Einschränkungen des LEGO Systems spielen bei den Modellen auch immer die Baubarkeit, beziehungsweise das Bauerlebnis, sowie die gewisse „LEGO Ästethik“ eine Rolle.
Bei diesen Abnahmen mussten zunächst beide Seiten noch voneinander lernen, im Laufe der Zeit verlief die Kooperation jedoch immer selbstverständlicher. Trotzdem stellten die ersten LEGO Star Wars Sets aufgrund der kurzen Vorlaufzeit für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Zwischen der Unterschrift der Lizenzvereinbarung und dem Marktstart der ersten fünf Sets lag nur ein Jahr, in dem die Modelle entworfen werden mussten und von Verpackungen über Bauanleitungen bis hin zu Werbematerialien viele Aufgaben abseits der LEGO Steine erledigt werden.
Im nächsten Teil unseres Rückblicks schauen wir uns an, welchen Aufwand die neue Produktlinie auch abseits der LEGO Modelle selbst nach sich zog und welche mittlerweile ikonischen Designelemente das Kreativteam dafür schuf. Bis dahin dürft ihr euch unter diesem Artikel gerne zu euren Eindrücken rund um die Vorgeschichte der LEGO Star Wars Themenwelt austauschen.
Die weiteren Teile unseres Rückblicks auf 25 Jahre LEGO Star Wars findet ihr hier:
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