Vor einiger Zeit war zu beobachten, wie der Bewertungsdurchschnitt des LEGO Technic 42125 Ferrari 488 GTE im LEGO Onlineshop innerhalb weniger Tage plötzlich sprunghaft anstieg. Einigen unserer Leser fiel dabei auf, dass beinahe alle neu hinzugekommenen positiven Bewertungen von neuen Profilen stammten und die Bewertungen bei der genauen Begutachtung des Profils als „Bewertung mit Inzentive“ gekennzeichnet waren.
Kauft LEGO sich also positive Bewertungen für dieses Set ein und war dies ein Einzelfall? Dem möchten wir heute auf den Grund gehen.
Zunächst sollten wir dazu klären, was unter einer „incentivierten Bewertung“ zu verstehen ist. Der Begriff leitet sich vom englischen Incentive ab, was einfach Anreiz bedeutet: Ein Review, für das die bewertende Person ein Incentive erhält, ist also in irgendeiner Art vergütet, meist durch kostenloses Überlassen des Produktes – so kennt man das z.B. vom Amazon Vine Produkttester-Programm, aber auch viele andere Shops nutzen diese Methode, um die Anzahl der Bewertungen ihrer Produkte zu erhöhen. Es handelt sich also um einen mittlerweile ziemlich üblichen Vorgang, der auch rechtlich nicht zu beanstanden ist, sofern die Bewertungen entsprechend gekennzeichnet werden. Und genau da liegt im Falle von LEGO das Problem – dazu später mehr.
Wir werfen zunächst einen Blick darauf, inwiefern der Kunde zwischen normalen und incentivierten Bewertungen unterscheiden kann. Später gehen wir noch genauer auf die internationalen Daten ein und schauen, wie stark sich die Incentive-Bewertungen auf den Bewertungsschnitt auswirken. Wir wollen bei dieser Gelegenheit außerdem versuchen zu ergründen, wie das Bewertungssystem des LEGO Onlineshops generell funktioniert und ob eine ausreichende Transparenz gegeben ist.
Vorab noch ein Hinweis: Die Daten für die Analyse haben wir bereits vor ca. zwei Wochen abgerufen, es können sich an den Zahlen also geringfügige Änderungen ergeben haben.
Inhaltsverzeichnis
Kann man normale von incentivierten Bewertungen unterscheiden?
Die vermutlich wichtigste Frage ist, inwiefern der Kunde die aus Eigeninitiative und die „im Auftrag“ verfassten Bewertungen im LEGO Onlineshop unterscheiden kann. Dies ist zwar möglich, erfordert vom Kunden aber einige Klicks und einen gewissen „Spürsinn“.
Im ganz normalen Bewertungsbereich auf der Produktseite lassen sich die Bewertungen zunächst kaum unterscheiden. Die incentivierten Bewertungen fallen allenfalls dadurch auf, dass oft kein Alter des Users angegeben ist und auch Detailbewertungen für Spielspaß, Schwierigkeit und Preis-Leistungsverhältnis meist fehlen – da es aber auch Gegenbeispiele gibt und dies auch bei regulären Bewertungen gelegentlich vorkommt, sind diese Indikatoren kein hinreichendes Kriterium.
Erst nach einem Klick auf den Usernamen kann man sich sicher sein. Denn nur im Userprofil, wo man ebenfalls die abgegebene Bewertung sieht, ist explizit (und sehr klein) gekennzeichnet, ob diese incentiviert war. Wie genau die „Inzentive“ aussieht, wird aktuell nicht erklärt.
Im deutschen LEGO Onlineshop gibt es, Stand unserer Auswertung, insgesamt 200 Bewertungen für den Ferrari, davon 110 reguläre und 90 „vergütete“. Schaut man genauer hin, so stellt man neben fehlendem Alter und Detailbewertungen noch einen weiteren Unterschied fest: Die Nutzer, die am Incentive-Programm teilnehmen, haben offenbar kein gewöhnliches Konto im LEGO Onlineshop. Die User-IDs haben ein ganz anderes Format als die der regulären Nutzer.
Was außerdem auffällt: Alle Incentive-User haben einen Nutzernamen, der eine Zahl am Ende hat. Bei regulären Konten kommt dies nur bei einem Teil der Nutzer vor, wie ihr auch im obigen Screenshot sehen könnt. Das bedeutet vermutlich, dass die Incentive-User ihre Konten im LEGO Onlineshop nicht selbst angelegt haben, sondern diese automatisch bzw. über eine andere Seite erzeugt wurden. Doch woher stammen dann diese Nutzer und ihre Bewertungen?
Herkunft der Incentive-Bewertungen
LEGO arbeitet für das Nutzer-Management inklusive des Bewertungssystems mit dem Unternehmen Bazaarvoice zusammen. Das könnt ihr leicht selbst nachvollziehen, indem ihr ein beliebiges Nutzerprofil aufruft:
Dieser Anbieter wirbt auf seiner Homepage an mehreren Stellen für die Vorteile von Incentive-Bewertungen und bietet außerdem als Serviceleistung für Unternehmen ein Programm an, in dem sich Privatpersonen als Produkttester registrieren können. Dafür bewirbt man sich zunächst bei der sogenannten TryIt Produkttester Community, woraufhin man auf einer Warteliste landet. Wird ein neuer Tester benötigt und passt man ins gesuchte Profil, erhält man eine Einladung zur Aufnahme in das Programm. Bei der Bewerbung kann man allerdings keine konkrete Marke angeben, für die man sich interessiert, sondern nur ein generelles Interessengebiet – man hat also offenbar keinen Einfluss darauf, welche Produkte man tatsächlich zum Testen zugeschickt bekommt. Das scheint zwar im Sinne einer halbwegs objektiven Bewertung durchaus sinnvoll, führt aber eben gegebenenfalls auch zu Bewertungen von Kunden, die sich mit dem Produkt aus Desinteresse wenig auseinandersetzen.
Ist man einmal angemeldet, stellen Unternehmen (in diesem Fall wäre das LEGO) Produkte zum Testen bereit. Bazaarvoice übernimmt die weitere Koordination und Kommunikation mit den Testern, holt deren Feedback ein und hinterlegt es im Bewertungssystem. Wir gehen davon aus, dass die incentivierten Bewertungen auch bei LEGO auf diese Weise eingeholt werden.
Sind auch andere Länder und Produkte betroffen?
Wenn LEGO aber an einem solchen Programm teilnimmt, wäre es dann nicht ungewöhnlich, wenn es nur in Deutschland und nur für den LEGO Technic Ferrari (42125) Incentive-Bewertungen gäbe?
Wir werfen deshalb kurz einen Blick in die anderen europäischen Ableger des LEGO Onlineshops. Es gibt den Shop für 27 Länder, wobei von vielen Shops mehrere Sprachversionen existieren, sodass wir insgesamt auf 51 Versionen des Onlineshops kommen, in denen der Ferrari mit Bewertungen gelistet sein könnte. Wir betrachten davon im Folgenden alle außer Russland, das wir aufgrund technischer Probleme bei der Auswertung der kyrillischen Schrift leider ausklammern mussten. Kommen in den anderen Shops ebenfalls incentivierte Bewertungen vor und betrifft dies auch andere Produkte?
Die kurze Antwort lautet: Ja, es gibt Incentive-Bewertungen in fast allen LEGO Onlineshops. Und ja, dies betrifft auch andere Produkte, wobei es wirkt, als weite LEGO diese Aktivitäten gerade aus. Aber der Reihe nach, betrachten wir zunächst den Ferrari.
Allgemeine Transparenz & internationale Verwertung der Bewertungen
In den meisten Ländern verfügt der Ferrari über Bewertungen, insgesamt summieren diese sich auf über 2000. Allerdings wiederholen sich die Bewertungen in vielen Ländern. So tauchen die deutschen Kommentare z.B. auch in Österreich, der Schweiz und in Luxemburg auf. Gleiches gilt für die englischsprachigen Kommentare, die auf bis zu 38 Seiten verwendet werden.
Insgesamt stellt man in der Analyse fest, dass der Ferrari europaweit in Wirklichkeit nur 247 unterschiedliche Bewertungen hat, von denen gut 43% als „incentiviert“ gekennzeichnet sind. Unsere Analyse hat ergeben, dass sowohl reguläre als auch incentivierte Bewertungen gleichermaßen international gespiegelt werden.
Wir halten also fest: Bei den Bewertungen im LEGO Onlineshop handelt es sich nicht unbedingt um Bewertungen aus dem Land, dessen Shopseite ihr gerade aufruft. Vielmehr werden sprachlich passende Bewertungen zusammengefasst und europa- bzw. wahrscheinlich sogar weltweit gespiegelt. Hingewiesen wird darauf im Onlineshop nicht – man wundert sich nur, warum viele europäische Versionen keine Bewertungen in der Landessprache, sondern nur in Englisch haben.
Allerdings wird in manchen Versionen (im Gegensatz zum deutschen Shop) explizit direkt in der Bewertung darauf hingewiesen, wenn es sich um eine Incentive-Bewertung handelt. Dies ist aktuell in Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Polen und Tschechien der Fall. Überall sonst fehlt dieser Hinweis.
Es ist zu hoffen, dass LEGO diese Transparenz auch in den anderen Ländern noch entsprechend umsetzt, um es für den Benutzer übersichtlich zu gestalten, welche Bewertungen auf welche Art und Weise entstanden sind.
Auswirkung und weitere Stichproben
Wie wir oben gezeigt haben, machen die Incentive-Bewertungen für den Ferrari in den europäischen Versionen des LEGO Onlinehops etwas weniger als die Hälfte der Gesamt-Bewertungszahl aus. (Wir werden gleich sehen, dass es Beispiele gibt, wo Produkte sogar ausschließlich incentivierte Bewertungen haben.)
Deshalb stellt sich natürlich die Frage: Wie stark beeinflussen die Bewertungen mit Incentive die durchschnittlichen Bewertungen beim LEGO Technic Ferrari und bei anderen Produkten? Wir haben neben dem Ferrari noch für einige weitere, willkürlich ausgewählte Stichproben aus verschiedenen Produktbereichen die Bewertungen aller europäischen Shops abgefragt und in der nachfolgenden Tabelle für euch zusammengefasst. Ihr seht dort für jedes Set die Anzahl der „regulären“ Bewertungen (ohne Incentive), die Incentive-Bewertungen (mit Incentive) sowie deren jeweiligen Bewertungsdurchschnitt, außerdem in der letzten Spalte den Gesamtbewertungsdurchschnitt. Ihr könnt also z.B. den Gesamtbewertungsdurchschnitt (Ø alle) mit dem Durchschnitt der regulären Bewertungen (Ø ohne) vergleichen, um zu sehen, wie sich die Incentive-Bewertungen ausgewirkt haben. Diese beiden Spalten haben wir daher fett gedruckt. Ferner haben wir diejenigen Zeilen grau hinterlegt, wo der Unterschied (in der gerundeten Darstellung im Shop) mindestens einen Stern beträgt oder wo ausschließlich Incentive-Bewertungen vorhanden waren.
Bei der Auswertung der Stichproben fällt auf, dass der Durschnitt der Incentive-Bewertungen grundsätzlich höher als derjenige der sonstigen Bewertungen war, auch das absolute Bewertungsniveau war dort stets sehr hoch. Besonders stechen der LEGO Technic Ferrari 42125, die VIDIYO Beatbox 43106 und das City Stadtzentrum 60292 heraus, also drei Produkte, die bei vielen Fans und Kritikern als zu teuer gelten. Hier zeigt sich also mutmaßlich ein grundsätzliches Problem mit Bewertungen für kostenlose Produkte: Der Preis fließt offenbar weniger in die Bewertung mit ein und es wird eher die Qualität des Produkts an sich bewertet.
Andererseits handelt es sich bei den drei genannten Sets auch gerade um solche Produkte, die in extrem reichweitenstarken Reviews in Deutschland sehr schlecht beurteilt wurden. Der LEGO Technic Ferrari erlebte daraufhin gar einen regelrechten Shitstorm, gefolgt von vielen negativen 1-Stern-Bewertungen im LEGO Onlineshop. Aufgrund der zeitlichen Übereinstimmungen der negativen Reviews auf Youtube und der schlechten Bewertungen im Onlineshop, dürften viele Bewertungen auch von Usern geschrieben worden sein, die das Produkt gar nicht besitzen. Hier gab es also mutmaßlich eine negative Beeinflussung der Bewertungen, bevor die positiven Bewertungen mit Incentive dazu kamen.
Vor diesem Hintergrund, weil das Phänomen speziell im deutschsprachigen Raum auftrat, haben wir in den nächsten beiden Tabellen die Auswertung noch einmal wiederholt, diesmal aber die Rezensionen aufgeteilt. Ihr findet in der folgenden Tabelle zunächst alle europäischen Bewertungen außer den deutschsprachigen:
Setnummer | Anz. ohne | Anz. mit | Schnitt ohne | Schnitt mit | Schnitt alle |
---|---|---|---|---|---|
41167 | 2 | 9 | 4,5 | 4,89 | 4,82 |
41430 | 9 | 8 | 4,78 | 5,0 | 4,88 |
41926 | 11 | 22 | 4,82 | 4,91 | 4,88 |
42125 | 30 | 17 | 4,57 | 4,94 | 4,7 |
43106 | 2 | 55 | 1,0 | 4,31 | 4,19 |
60280 | 0 | 24 | - | 4,75 | 4,75 |
60292 | 11 | 23 | 2,73 | 4,91 | 4,21 |
71383 | 6 | 23 | 3,83 | 4,96 | 4,72 |
75299 | 61 | 24 | 4,52 | 4,96 | 4,65 |
76152 | 4 | 10 | 4,0 | 4,8 | 4,57 |
76385 | 2 | 26 | 4,0 | 4,88 | 4,82 |
Die Gegenprobe haben wir natürlich auch durchgeführt: Die folgende Tabelle zeigt die Auswertung nur anhand der deutschsprachigen Bewertungen – für die fehlenden Sets lagen keine deutschen Rezensionen vor:
Setnummer | Anz. ohne | Anz. mit | Schnitt ohne | Schnitt mit | Schnitt alle |
---|---|---|---|---|---|
42125 | 110 | 90 | 1,4 | 4,32 | 2,72 |
43106 | 3 | 0 | 2,33 | - | 2,33 |
60280 | 0 | 30 | - | 4,93 | 4,93 |
60292 | 20 | 0 | 1,5 | - | 1,5 |
71383 | 1 | 0 | 4,0 | - | 4,0 |
75299 | 17 | 0 | 3,41 | - | 3,41 |
76152 | 1 | 0 | 3,0 | - | 3,0 |
Der Ferrari kam international deutlich besser weg als hierzulande, die Incentive-Bewertungen bewirkten dort kaum eine Veränderung des Durchschnitts. Auch das Stadtzentrum wurde im Rest von Europa wesentlich gnädiger bewertet als bei uns, allerdings ist die Auswirkung durch die Incentive-Bewertungen dort dennoch groß. Die VIDIYO Beatbox wurde erstaunlicherweise von den deutschsprachigen Kunden sogar besser bewertet, wobei hier die Grundgesamtheit der regulären Bewertungen eigentlich zu gering ist, um überhaupt einen seriösen Vergleich anstellen zu können.
Der Effekt, der beim Ferrari auftrat und auch bei anderen Produkten immer mal wieder sichtbar ist, stellt ein Problem in den Fokus, das LEGO neben der korrekten Kennzeichnung von Bewertungen mit Incentive dringend angehen sollte: Die Kennzeichnung von Bewertungen nach verifizierten Käufen. Auch hier macht Amazon vor, wie es gehen kann, denn dort werden Bewertungen, die nach dem durchgeführten Kauf eines Produktes abgegeben werden, als „Verifizierter Kauf“ gekennzeichnet. Damit hat der Kunde beim Lesen der Bewertungen eine Möglichkeit, für sich persönlich den „Wert“ einer Rezension besser einschätzen zu können.
Nachfolgend haben wir für euch einmal grafisch zusammengefasst, wie sich die Gesamtverteilung der Bewertungen mit und ohne Incentive, summiert für alle unsere Stichproben, darstellt. Dabei haben wir den Ferrari aus den oben genannten Gründen (extrem schlechte Bewertungen durch „Shitstorm“) zunächst ausgeklammert. In der zweiten Grafik ist er jedoch inkludiert.
Auch den Durchschnitt aller europäischen Bewertungen in unserer Stichprobe haben wir für diese beiden Betrachtungsweisen berechnet. Es ergeben sich folgende Werte:
- mit Incentive: 4,67 bei 361 Bewertungen
- regulär: 2,94 bei 290 Bewertungen
- mit Incentive (ohne Ferrari): 4,77 bei 254 Bewertungen
- regulär (ohne Ferrari): 3,75 bei 150 Bewertungen
Einordnung der Ergebnisse
Um die eingangs aufgeworfene Frage noch einmal ganz explizit zu beantworten: Nein, es handelt sich bei den Incentive-Bewertungen im LEGO Onlineshop nicht einfach um „gekaufte“ im Sinne von „unechten“ Bewertungen. Gleichwohl stammen diese Bewertungen aus einem Produkttester-Programm, in dem die angemeldeten Tester die Sets kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen haben und sind bei LEGO nicht transparent gekennzeichnet.
Laut der TryIt Registrierungsseite gibt es das Incentive-Programm übrigens im Vereinigten Königreich, den USA, Frankreich und Deutschland – das deckt sich mit den Sprachen, in denen wir incentivierte Bewertungen bei LEGO gefunden haben. Allerdings gab es auch einige italienische Incentive-Bewertungen, konkret bei der VIDIYO Beatbox. Womöglich stammen diese aus einem anderen Programm oder die TryIt-Community wurde kürzlich auf Italien ausgeweitet.
Die mit Abstand meisten Bewertungen wurden in englischer Sprache verfasst, was Sinn ergibt, da diese Rezensionen im Großteil der europäischen (und vermutlich auch der weltweiten) LEGO Onlineshops angezeigt werden. Was könnte aber die Motivation seitens LEGO sein, an einem solchen Produkttester-Programm teilzunehmen? Diese Frage ist leicht zu beantworten: (Gute) Bewertungen und Rezensionen tragen dazu bei, das Vertrauen der Kunden in ein Produkt zu stärken und fördern damit den Verkauf.
Leider – aus der Sicht von LEGO – werden im LEGO Onlineshop aber allgemein nur sehr wenige Rezensionen verfasst (das sehen wir auch an einigen der obigen Stichproben), viele Produkte haben mitunter gar keine Bewertungen. Es dürfte LEGO also primär darum gehen, diesen Zustand zu ändern.
Freilich hätten dazu auch andere Wege offen gestanden. Wir haben beispielsweise erste Infos dazu bekommen, dass LEGO wohl daran arbeitet, Bewertungen von externen Seiten im eigenen Shop mit anzuzeigen und die eigenen Bewertungen wiederum in andere Shops auszuspielen. Damit ließe sich die Zahl der Bewertungen insgesamt steigern. Ähnliche Vorgehensweisen nutzen auch andere Anbieter, und im Falle einer transparenten Kennzeichnung (gerne auch von verifizierten Käufen) spräche wohl wenig dagegen.
Ob die aktuell von LEGO genutzte Form der Kennzeichnung der Incentive (nur auf dem Profil der User) rechtlich vertretbar ist oder nicht, können wir nicht beurteilen, da die bisherige Rechtsprechung aus unserer Laien-Sicht hier noch nicht ganz eindeutig ist. In einem Beschluss vom OLG Frankfurt gab das Gericht zu verstehen, dass der „durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher“ davon ausgehe, „dass [Bewertungen] grundsätzlich ohne Gegenleistung erstellt werden“ und daher eine korrekte Kennzeichnung notwendig sei. Der Fall hatte allerdings eine gänzlich andere Ausgangsposition und es erfolgte keinerlei Kennzeichnung, was bei LEGO ja nicht der Fall ist. Dennoch ist es aus Verbrauchersicht unbedingt angebracht, eine für jeden sofort ersichtliche Kennzeichnung anzubringen – hier muss LEGO dringend handeln.
Aus unserer Sicht müssten incentivierte Bewertungen zwingend und auf den ersten Blick als solche erkennbar sein, idealerweise mit genauer Angabe des Ursprungs, sodass man sich als Verbraucher ein Bild davon machen kann, für wie glaubwürdig man diese hält. Auch das Zusammenfassen von Bewertungen aus mehreren Ländern und das Spiegeln auf anderen regionalen Varianten der LEGO Shopseite sollte klar als solches gekennzeichnet sein, z.B. indem bei jeder Bewertung das Land angegeben wird, in dem diese verfasst wurde.
Außerdem wäre es im Sinne maximaler Transparenz für den Kunden wünschenswert, solche Bewertungen eventuell sogar mit Hilfe von Filtern ausblenden zu können. Hier kennen wir leider aktuell keine guten Beispiele von anderen Shops. Bei Amazon lassen sich derzeit ausschließlich Bewertungen nach verifizierten Käufen filtern.
Ein flüchtiger Blick nur auf den Bewertungsdurschnitt reicht – das zeigt unsere obige Auswertung – mitunter nicht mehr aus und vermittelt ein verfälschtes Bild. Die Bewertungen aus dem Incentive-Programm sind offenbar gerade bei sonst als hochpreisig empfundenen Produkten im Durchschnitt deutlich positiver, was nicht verwundert, weil der Preis bei der Bewertung eine untergeordnete Rolle spielt. Dies kann man als Kunde durchaus auch als manipulativ empfinden, weil dadurch der Gesamtschnitt gehoben wird.
Erweitert LEGO jedoch den Shop tatsächlich noch um Bewertungen aus anderen Quellen, zum Beispiel durch verifizierte Käufe aus anderen Shops oder sogar Reviews von Blogs, könnte sich ein breiteres und differenzierteres Gesamtbild ergeben, was wiederum für den Kunden positiv wäre.
Ob die Kunden allerdings so viel Zeit und Gedanken aufwenden, sich intensiv mit den Bewertungen und deren Herkunft auseinanderzusetzen, steht auf einem anderen Blatt. Viele werden vermutlich eben doch nur auf den Bewertungsdurchschnitt schauen, und der wurde – das ist unbestreitbar – bei all unseren Stichproben durch Incentive-Bewertungen höchstens angehoben, aber nie gesenkt. Umso wichtiger ist es, dass LEGO zeitnah der aktuell noch mangelhaften Transparenz des Bewertungssystems entgegenwirkt. Da die Bewertungen jedoch in einigen Ländern bereits besser gekennzeichnet werden als in Deutschland, ist davon auszugehen, dass LEGO im Hintergrund bereits an einer Lösung dieses Problems arbeitet und sich gerade noch in der „Experimentierphase“ befindet. Wie schon so oft wäre auch hier eine offene Kommunikation wünschenswert gewesen, dass man gerade am Bewertungssystem arbeitet.
Auf unsere Anfragen zu der Problematik haben wir von LEGO leider bisher keine Stellungnahme erhalten.
Fazit
Dass LEGO nun auch mit solchen „Produkt gegen Rezension“-Anreizen arbeitet, um die Bewertungen im eigenen Onlineshop auszubauen, ist zwar mittlerweile üblich in der Branche, stößt aber durch die mangelhafte Transparenz und die signifikante Verbesserung der Durchschnittsbewertung, beispielsweise beim LEGO Technic Ferrari, übel auf. Zwar war die Bewertung des Ferrari in Deutschland vorher deutlich schlechter als international, mutmaßlich zum Großteil aufgrund von Nutzern, die das Produkt nicht besitzen. Dennoch ist das Vorgehen von LEGO hier zu kritisieren, zumal auffällt, dass für den Ferrari in Deutschland besonders viele Incentive-Bewertungen eingeholt wurden.
Wir werden uns an Incentive-Bewertungen wahrscheinlich generell gewöhnen und lernen müssen, Bewertungen zukünftig noch kritischer zu hinterfragen. Dazu ist aber dringend eine unmittelbar sichtbare Kennzeichnung nötig. Ein Ausbau des Bewertungssystems um weitere Quellen wäre zu begrüßen, damit es nicht vorkommt, dass ein Produkt ausschließlich incentivierte Bewertungen vorweist und so ein Interesse am Produkt suggeriert wird, das eventuell gar nicht vorhanden ist.
Ein weiterer möglicher und transparenter Weg, um für mehr Bewertungen im LEGO Onlineshop zu sorgen, wäre wohl der, für die realen Käufer eines Produkts einen Anreiz zu schaffen. Hierzu könnte LEGO z.B. VIP-Punkte für das Verfassen von Bewertungen zu den tatsächlich gekauften Produkten gutschreiben – unabhängig von der Bewertung natürlich. Außerdem sollten reale Käufe auch, ähnlich wie Amazon es vormacht, als „verifizierter Kauf“ gekennzeichnet werden. Ein solches System würde zwar einen größeren Entwicklungsaufwand bedeuten als die jetzige Lösung, die Bazaarvoice „out of the box“ anbietet, dennoch dürfte sich das für LEGO lohnen.
Geben wir LEGO also noch etwas Zeit für Verbesserungen, denn wir wissen ja, dass in Billund die Mühlen langsam mahlen. Bis dahin heißt es: Augen auf und die Bewertungen (gute wie schlechte) stets hinterfragen – denn das sollte man bei allen Bewertungen, egal woher sie stammen, ohnehin tun.
Wie steht ihr zum Thema Incentive-Bewertungen? Welche Art der Kennzeichnung müsste im LEGO Onlineshop erfüllt sein, damit ihr das Gefühl habt, dem Bewertungssystem „mit gutem Gefühl“ vertrauen zu können? Habt ihr andere Ideen, wie LEGO Anreize für mehr Bewertungen bzw. Rezensionen schaffen könnte? Und nicht zuletzt: Beeinflussen Bewertungen überhaupt eure Kaufentscheidung?
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