Den heutigen Tag feiert die internationale LEGO Fangemeinde auch als „BIO(nicle)-Day“, abgeleitet aus der amerikanischen Schreibweise des Datums: 8/10. Der passende Zeitpunkt, uns nochmals einem der Schöpfer dieser Themenreihe zuzuwenden: Christian Faber. Während meiner Recherche für den Artikel zum 20-jährigen Jubiläum von Bionicle erhielt ich in einem zweieinhalbstündigen Videogespräch die Gelegenheit, alles über seine Zeit als Creative Director bei der Werbeagentur Advance und seine 28-jährige Zusammenarbeit mit LEGO zu erfahren.
Since the interview was originally conducted in English, we have translated an English version of this arcticle for you.
Von LEGO Aquazone über Bionicle bis hin zu Star Wars war Christian Faber an vielen Produktlinien von LEGO beteiligt und an einigen Stellen ist seine Arbeit auch heute noch sichtbar. Artworks, das Design fremder Welten und exotischer Umgebungen, Werbematerialien und Produkteinführungen: Viele Aspekte eines LEGO Sets, die nicht mit dem Modell selbst zu tun haben, waren fast 30 Jahre lang Teil von Fabers täglicher Arbeit. Da es nicht alle interessanten Themen unseres Gesprächs in den Artikel über Bionicle geschafft haben, wollen wir Euch den Rest nicht vorenthalten und veröffentlichen deshalb die restlichen Auszüge des Interviews in diesem separaten Artikel. Viel Spaß beim Lesen!
https://www.youtube.com/watch?v=xctWNTRZnGE
Dieses Showreel gewährt euch vorab einen kleinen Einblick in die vielen Themenwelten, bei denen LEGO und Advance zusammenarbeiteten und es teilweise bis heute tun.
Hallo Christian! Du bist vor allem als einer der kreativen Köpfe hinter Bionicle bekannt, einem der erfolgreichsten Themen in der Geschichte von LEGO. Aber lass uns einige Jahre früher beginnen. Deine Karriere bei der Werbeagentur Advance startete im Jahr 1986. Hatte deine Bewerbung dort etwas mit der Zusammenarbeit des Unternehmens mit LEGO zu tun?
Das war eigentlich eher zufällig. Ich habe schon mein ganzes Leben lang gezeichnet und meine Ideen visualisiert. Ich wusste nur nicht, dass ich damit auch mein Gehalt verdienen könnte. Aber ich hatte von Werbezeichnern gehört und dachte: „Ok, vielleicht kann ich das machen und einfach zeichnen“. Also habe ich mich bei den Agenturen in Kopenhagen umgehört und alle sagten, dass ich eine passende Ausbildung brauche, um einen Job zu bekommen. Die letzte Firma, zu der ich ging, war Advance und dort hieß es: „Wir haben einen besonderen Kunden und brauchen eine Menge Zeichnungen, du kannst bei uns loslegen.“
Ich habe ganz unten angefangen, fast ohne Bezahlung, und habe mich dann hochgearbeitet, bis ich schließlich Miteigentümer der Agentur wurde. Wir hatten im Laufe der Jahre verschiedene Kunden, arbeiteten aber die meiste Zeit für LEGO. Ich war 28 Jahre lang bei Advance und habe in dieser Zeit mindestens zwei Markteinführungen neuer Produkte pro Jahr für LEGO durchgeführt. Es ist also eine ziemlich große Anzahl von verschiedenen Themen, an denen ich beteiligt war. Um nur die größten zu nennen: Aquazone, das war meine erste Reihe als Creative Art Director, LEGO Technic, alle möglichen Weltraumthemen, Star Wars, Slizer, RoboRiders und dann Bionicle. Die letzten drei Themen waren noch in der Technic-Abteilung angesiedelt, weshalb ich dort auch Lead Artist war. Es war wirklich eine unglaubliche Karriere!
Es muss etwas ganz Besonderes gewesen sein, an all diesen Produktlinien mitzuwirken, vor allem an solchen wie LEGO Star Wars.
Das „Star Wars“-Thema kam völlig aus heiterem Himmel. Wir haben jahrelang auf LEGO eingeredet und sie ermutigt, mit Lizenzen zu arbeiten. Aber sie sagten immer: „Nein, so etwas machen wir nicht“. Und dann eines Tages im Jahr 1998 bekam ich einen Anruf aus Billund und sie fragten, ob ich in der nächsten Woche Zeit hätte. Ich hatte Zeit, also ging es auf eine Reise nach Kalifornien, zur Skywalker Ranch, zum ersten Treffen mit den Leuten von Lucasfilm. Ich war dort als Vertreter von Advance und außer mir waren noch ein Mitarbeiter von LEGO US und einer von LEGO Billund mit dabei. Wir saßen also vor dem großen Besprechungsraum und warteten darauf, dass der Vertrag aus Billund gefaxt wurde. Es war solch ein Stapel Papier (zeigt eine große Spanne mit Daumen und Zeigefinger), den wir alle unterschreiben mussten. Ich unterschrieb hunderte von Seiten, ich hatte nicht einmal Zeit, sie alle zu lesen. Danach gingen wir in den Besprechungsraum und bekamen eine Einweisung in die beginnende Zusammenarbeit. Wir bekamen sogar einen ersten Blick auf Star Wars Episode I zu sehen! Es war ziemlich beeindruckend! Und das ist nur eine der vielen verrückten Sachen, die passiert sind. Es war ein echtes LEGO Abenteuer (lacht)!
Laut Website arbeitet Advance immer noch für LEGO und war auch an den Veröffentlichungen großer Themen aus dem aktuellen Portfolio beteiligt. Die Zusammenarbeit von LEGO und Advance klingt nach einer großen Erfolgsgeschichte.
Auf jeden Fall! Ich war zum Beispiel auch Lead Director bei LEGO Friends. Und LEGO Mindstorms, Ferrari, BMW, ich habe auch LEGO Racers gemacht. Ich habe zudem an den LEGOLAND Themenparks mitgearbeitet und einige der Logos entworfen, die heute noch im Einsatz sind. Wir haben die LEGO Mitarbeiter und das Briefing, das wir bekamen, ständig ans Limit getrieben. Wir taten oft nicht das, was man für gewöhnlich erwartet hätte. Wenn sie uns eine Aufgabe gaben, haben wir unser ganzes Können eingebracht und ihnen etwas Neuartiges zurückgegeben. Und deshalb, glaube ich, arbeitet die Agentur nun schon seit über 40 Jahren für LEGO. Das ist wirklich eine verrückte Erfolgsgeschichte!
Lass uns noch einmal einen Schritt zurückgehen: Erinnerst du dich an das erste LEGO Thema, an dem du beteiligt warst?
Die erste Kampagne, die ich gemacht habe, war das erste LEGO Piraten-Thema im Jahr 1989, mit diesem großen Piratenschiff (Anm. d. Red.: 6285 Black Seas Barracuda), das erst letztes Jahr neu aufgelegt wurde (Anm. d. Red.: 21322 Pirates of Barracuda Bay). Wir haben die erste Produkteinführung gemacht, die einen TV-Spot, das ganze Verkaufsmaterial für die Geschäfte, Poster und so weiter beinhaltete. Einige Jahre später war Aquazone dann mein erstes Thema als Creative Director und ich bekam die Chance, ein Projekt in meiner Lieblingsumgebung zu gestalten: Unterwasserwelten.
Zum Thema Aquazone: Mein Kollege Jens ist ein riesiger Aquazone-Fan und hat bereits einen großartigen Artikel über dieses Thema geschrieben. Er gab mir die Frage mit, ob du auch an den auf Aquazone folgenden Unterwasserthemen wie Hydronauts/Stingrays oder Aquaraiders beteiligt warst, oder ob das Artwork dort nur aus dem Originalmaterial „recycelt“ wurde?
Ich glaube, das wurde von LEGO gemacht. Bei Advance bekamen wir oft neuartige Themen und wenn man dann einen gewissen Stand hatte, ging das Thema an eine interne Designabteilung in Billund. Es gab diesen Witz, dass „Intern“ die größte Agentur in Dänemark ist, weil sie so viel für LEGO machen (grinst).
Wurden die Drucke für die LEGO Elemente einer neuen Themenreihe dann auch bei Advance entworfen?
Manchmal haben wir das tatsächlich gemacht und die Leute bei LEGO unterstützt. Zum Beispiel haben wir die Drucke für die Slizer-Helme entworfen. Aber grundsätzlich gibt es in Billund eine ganze Abteilung, die sich nur mit den Dekorationen beschäftigt. Die Grafikabteilung war anfangs sehr klein, aber sie hat immer mehr von diesen Aufgaben übernommen und im Laufe der Jahre auch ihren eigenen Stil entwickelt.
Gibt es eine spezielle Inspirationsquelle für die Welten und Umgebungen, die du für LEGO Produktlinien entworfen hast?
Ich hatte eine Menge Referenzen und Bilder, die ich gefunden habe. Damals noch nicht im Internet, sondern in Büchern wie diesem. (zeigt seine Ausgabe von „By Nature’s Design“ von 1993, geschrieben von Pat Murphy) Dieses Buch war immer eine gute Inspiration. Es wurde auch in Bionicle für viele Dinge verwendet, weil Mikro- und Makrowelten immer miteinander verbunden sind. Wenn man ähnliche Formen in beiden Welten verwendet, erhält man diese Art von Gleichgewicht mit wiederkehrenden Mustern und so weiter. Ich bin ein richtiger Nerd, was diese Themen angeht!
Die Designer und Leute hinter den Sets waren früher nicht so bekannt wie heutzutage. Das erste Mal, dass ich den Namen Faber hörte, war in einer Netflix-Dokumentation namens „The Toys That Made Us“.
Oh ja, das ist eine weitere coole Geschichte. Ich wusste nicht, dass diese Doku gedreht worden war. Mich riefen Leute an und sagten: „Weißt du, dass du in einer Netflix-Serie auftauchst?“, und ich sagte nur „Was!?“. David Robertson, der in dieser Dokumentation viel gezeigt wird, hat ein Buch namens „Brick by Brick“ (deutscher Titel: „Das Imperium der Steine“) geschrieben, für das ich interviewt wurde. Das war das erste Mal, dass ich LEGO fragte, ob ich die wahre Geschichte über meine Krankheit und Bionicle erzählen könne, denn ich hatte noch nie öffentlich darüber gesprochen.
Im selben Monat, in dem ich 1986 bei Advance anfing zu arbeiten, bekam ich die Diagnose für einen Hirntumor. Er wurde nur entdeckt, weil er auf meinen visuellen Kortex drückte und ich anfing, einen kleinen Punkt in der Mitte meines Sichtfelds zu sehen. Ich bekam von da an Medikamente und musste diese Kapseln essen, die „zufällig“ so aussahen (zeigt eine Dose aus der ersten Bionicle-Serie, erschienen 2001). Jeden Abend musste ich eine davon nehmen und am nächsten Morgen fühlte ich mich immer sehr schlecht. Aber als Bionicle kam und wir einen Antrieb für die Hintergrundgeschichte brauchten, dachte ich über meine eigene Situation nach: Ich nahm Kapseln mit Medikamenten, die dann in meinem Körper versuchten, die richtige Stelle zu finden um die Krankheit zu heilen. Das führte zu der ursprünglichen Idee, einen Roboter unter der großen Insel zu haben, dessen Medizin in Form von Toa am Strand angespühlt wird. Aber die Toa wussten einfach nicht, was sie zu tun hatten, und mussten erst einmal herausfinden, dass sie eigentlich Helden in einer großen Geschichte waren. Und dieser Aufhänger bot Jahr für Jahr neue Möglichkeiten. Es ist verrückt, wenn ich jetzt zurückblicke und das alles erzähle, denn am Anfang dachten wir, dass wir vielleicht drei Jahre mit der Geschichte füllen können. Am Ende haben wir das bei weitem übertroffen.
Wenn man sich die Boxen, die Poster und das Videomaterial ansieht, scheint Bionicle ein großer Sprung nach vorne gewesen zu sein, was das Design des Marketingmaterials anging.
Das stimmt, alles wurde mit computergenerierten Renderings gemacht und es war das erste Mal, dass man ein 3D-Rendering als Bild auf der Verpackung hatte. Vor Bionicle waren die Produktbilder immer Fotos gewesen und es war nicht erlaubt, ein Rendering zu verwenden. Aber wir sagten, wir müssen diese Figuren zum Leben erwecken und die Vorderseite der Schachtel ist der beste Weg, um mit den Kunden in Kontakt zu treten. Es gab viele Diskussionen, ob wir diese Regel brechen dürfen oder ob die Kinder durch ein computergeneriertes Verpackungsdesign getäuscht werden könnten.
Es war aber grundsätzlich nicht nur eine Diskussion innerhalb der Firma. Vieles, was einen falschen Eindruck erwecken könnte, ist in der Spielzeugbranche nicht erlaubt. Zu diesem Thema gibt es auch eine lustige Aquazone-Geschichte: Wir hatten einen Dreh für ein Werbevideo in London und alle U-Boote mussten von einer Hand gehalten werden, wenn sie durch die Kulisse „tauchten“. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Sets von alleine fliegen können. Also hatten wir im Werbespot eine Kinderhand, die die U-Boote durch die Unterwasserwelt bewegt. Aber in Wirklichkeit gab es kein Kind bei den Dreharbeiten. Wir benutzten künstliche Hände. Und das Verrückteste ist: Ich musste den Koffer mit den künstlichen Händen darin als Gepäck von Dänemark nach London bringen. Stell dir vor, du musst mit vier täuschend echt aussehenden Kinderhänden im Handgepäck durch den Sicherheitscheck! (lacht)
Kommen wir nun zu deinem erfolgreichsten Beitrag im Portfolio von LEGO: Bionicle. Mit den LEGO Designern, die die Modelle und neuen Elemente entwarfen, euren Kollegen, die die Story schrieben, und euch bei Advance, wo das gesamte Artwork der Inseln und Schauplätze gestaltet wurde, waren viele verschiedene Personen an diesem Projekt beteiligt. Hattet ihr eine spezielle Aufgabenverteilung oder einen bestimmten Arbeitsablauf?
Am Anfang wussten wir noch nicht so wirklich, wie es sich entwickeln würde. Wir haben in erster Linie mit einem LEGO Technic Team zusammengearbeitet, das von Slizer und RoboRiders kam. Mit immer mehr charakterbasierten Themen begann man dann in Billund, ein spezielles Team für diese Modelle einzurichten. Bei Bionicle gab es eine Kerngruppe von Designern, vielleicht vier oder fünf Leute. Sie machten Vorschläge und gleichzeitig arbeiteten wir an der Ausrichtung der Geschichte. Wir trafen uns immer vor dem Start einer neuen Phase und besprachen die Richtung, in die wir gehen wollten. Dann kamen wir nach der Hälfte der Entwicklungszeit wieder zusammen und tauschten unseren Stand und unsere Ideen aus. Danach versuchten wir gemeinsam, die Entwicklung der Modelle in die Storyline einzupassen. Im Laufe der Jahre wurde das mehr und mehr zu einem eingespielten Ablauf. Irgendwann hatten wir ein Story-Team, bestehend aus Greg Farshtey als Autor der Bionicle-Comics, einem Modell-Designer von LEGO, meist Christoffer Raundahl, und mir, als Vertreter für Advance. Der Prozess entwickelte sich im Laufe der Jahre und das Story-Team bereitete die Haupthandlung für das nächste Jahr vor. Wir hatten eine Menge Diskussionen mit vielen Ideen und positivem Eifer.
Hast du eine Lieblings-Storyline innerhalb von Bionicle?
Die Unterwasser-Ära 2007 war wie eine Mischung aus Aquazone und Bionicle, für mich war es die perfekte Kombination! Meine größte Inspiration ist der Meeresforscher Jacques Cousteau. Ich habe seine Fernsehsendungen in den 70er Jahren in Dänemark verfolgt und sie waren der Grund, warum ich mit dem Zeichnen angefangen habe. Und als damals Star Wars herauskam, dachte ich: „Mit dem Meer kann es sowieso nicht mithalten!“
Gab es einen bestimmten Punkt, an dem du den riesigen Erfolg von Bionicle zum ersten Mal realisiert hast?
Ich glaube, das erste Mal, dass wir das Gefühl hatten, dass etwas anders war als bisher, war auf einer Reise nach New York für das Mata Nui Online Game. Die Besprechungsräume und die Leute, die wir trafen, waren plötzlich auf einem anderen Level. Der US-Markt war regelrecht im Bionicle-Hype und die Leute griffen nach den Sets, als wären sie Gold. Der große Erfolg dort prägte das Selbstvertrauen aller. Auch die Interaktion mit den Fans fühlte sich von Anfang an ganz anders an. Wir hatten keine der heutigen Möglichkeiten zur Vermarktung. Die CD-Roms in den Boxen und das Online-Spiel, alles was wir rund um die Sets gemacht haben, war damals Hightech.
Habt ihr im Team auch in den Bionicle Fan-Foren wie BZPower mitgelesen, um die Wünsche der Fans für die Entwicklung der Geschichte zu sammeln?
Mit den Fans zu reden und ihre Reaktionen zu sehen, gab uns eine Menge Inspiration, welche Aspekte wir mehr forcieren sollten. Gregs (Anm.: Greg Farshtey war der Autor fast aller Bionicle-Bücher und -Comics) Interaktion mit den Fans auf der Seite der Story war ebenfalls großartig. Wir haben auch viele Tests mit Kindern aus der Zielgruppe gemacht, „Bionicle Boys“, wie wir sie nannten, um Feedback für die nächsten Modelle zu bekommen.
Gab es auch Zeiten, in denen es schwierig war, sich neue Charaktere und neue Teile der Geschichte auszudenken? Vor allem, wenn man ein halbes Jahr füllen musste, bis der nächste große Schritt in der Story kam?
Ein gewisses Problem war, all diese Charaktere zu entwerfen und dabei jedem Charakter gleich viel Zeit in der Geschichte und gleich viel Reiz zu geben. So sollte verhindert werden, dass einige Sets sehr oft gekauft wurden und andere fast gar nicht. Es war wirklich schwer, so viele Charaktere in der Geschichte unterzubringen und sie ständig zu verändern. Stell dir vor, Darth Vader bekäme alle sechs Monate ein neues Kostüm. Das hat auch ein wenig der Kontinuität der Geschichte geschadet. Selbst ich habe manchmal den Überblick über bestimmte Details oder über einige der Nebencharaktere verloren.
Fühlte sich Bionicle nach einer Weile immer noch wie ein LEGO Thema an oder war es eher wie ein eigenständiges Franchise?
Ich glaube, viele Leute wissen gar nicht, dass tatsächlich mal darüber nachgedacht wurde, Bionicle als eigenständige IP auszugliedern, die dann nur noch von LEGO hätte vertrieben werden sollen. Es war zum einen ein großer Erfolg und zum anderen war es anders als alle anderen LEGO Produkte zu dieser Zeit.
Am Anfang sahen die Schachteln auch noch so aus, als würde sich das LEGO Logo schämen, zu diesem Thema zu gehören. Man dachte damals: „Wie kann man etwas Cooles verkaufen, wenn ein LEGO Logo darauf ist?“ Die Kinder kannten das rote Logo von Duplo und anderen Kinderspielzeugen, und jetzt wollte man, dass sie auf den Schulhof gehen und ihre Figuren mitnehmen. Das hatte Auswirkungen auf die Positionierung des LEGO Logos in den ersten Jahren von Bionicle. Aus heutiger Sicht ist das verrückt. Heute ist das LEGO Logo eher wie ein Qualitätssiegel. Aber damals schämte man sich fast dafür.
Wie reagieren erwachsene LEGO Fans (die nicht mit Bionicle aufgewachsen sind), wenn sie hören, dass du an diesem Thema so maßgeblich beteiligt warst?
Wenn man ihnen zuerst alles erklären muss, dann dauert das normalerweise sehr lange. Aber wenn die Leute sich für Business, Innovation und Kreativität interessieren, ist es eine ziemlich interessante Geschichte. Und viele Leute wollen tatsächlich hören, wie Bionicle entstanden ist.
Im Mai 2001, noch vor dem Start von Bionicle in den USA, sah LEGO sich mit einer Klage der Māori, der indigenen Bevölkerung Neuseelands, konfrontiert, die gegen die Verwendung bestimmter Begriffe aus ihrer Sprache bei Bionicle vorgingen.
Zu Beginn unserer Arbeit an Bionicle fanden wir ein Buch über die maorische Sprache und zeigten es den LEGO Storyschreibern. Wir waren alle begeistert, dass wir eine Sprache mit diesem Insel-Feeling gefunden hatten, die wir verwenden konnten. Aber es war nicht das Klügste, die Wörter direkt zu übernehmen. Wir hätten einige Dinge ändern sollen und mussten dies im Nachhinein für Wörter mit einer kulturellen Bedeutung auch tun. Aber ich denke, LEGO hat sich im Rahmen des Prozesses gut verhalten, denn sie haben anschließend auch eine zusätzliche Vereinbarung mit den Maori getroffen. LEGO legte darin einen Verhaltenskodex für die Verwendung von traditionellem Kulturgut in ihren Spielzeuglinien fest, der ab diesem Zeitpunkt galt.
Gibt es Aspekte von Bionicle, die als Analogie oder Parabel zum echten Leben angelegt waren?
Bei Bionicle ging es schon immer um Yin und Yang. Manchmal übernimmt der schwarze Teil alles und man hat nur noch diesen kleinen weißen Punkt der Hoffnung. Und das ist meiner Ansicht nach auch eine philosophische Sichtweise auf das Leben, dass es immer dieses Gegengewicht gibt. Wenn man in seinen dunkelsten Momenten ist, wird etwas Mächtiges dich dazu veranlassen, eine neue Richtung einzuschlagen. Leider ist es aber auch andersherum. Wenn alles perfekt ist, gibt es schon irgendwo einen kleinen schwarzen Punkt. Als ich mit gerade mal 20 Jahren meinen Job bei Advance antrat, war alles perfekt. Aber dann hatte ich diesen kleinen Punkt in meinem Sichtfeld, der sich später als Hinweis auf einen Tumor herausstellte. Aber auf der anderen Seite konnte ich dieses Schicksal annehmen und es in Bionicle umwandeln, was, wie ich finde, sehr gut ist!
Ein weiterer Aspekt wäre: An einem bestimmten Punkt mussten die Toa diejenigen verlassen, die in ihnen ihre Retter sahen. Aber sie mussten gehen, um die größeren Probleme lösen zu können. Und das ist eigentlich auch eine Lehre aus diesen Geschichten, dass die wirklich großen Probleme radikale Lösungen brauchen. Was uns die Pandemie auch gezeigt hat. Und nach der Pandemie muss das nächste gemeinsame Ziel die Klimakrise sein und die Art, wie wir diesen Planeten nutzen.
Nachdem du an so vielen Aspekten des Bionicle-Universums gearbeitet hast: Gibt es einen Charakter, mit dem du dich identifizieren würdest?
Lass mich nachdenken… Ich muss eine wirklich nerdige und philosophische Figur finden (lacht). Ich fühle mich ein bisschen wie einer der Turaga, ein älterer Roboter, der eine Menge erlebt hat und Geschichten darüber erzählen kann. Die Toa sind zu sehr sie selbst, als dass ich einer von ihnen sein könnte. Ich wollte nie ein großer Held im Rampenlicht sein. Mir geht es wirklich darum, den Leuten die Bedeutung der kleinen Rolle, die sie im großen System spielen, zu vermitteln. Und dass man gar nicht auf Helden warten muss, die kommen und einen retten. Das ist auch ein Grund, warum ich für ein neues Wort werben möchte, ich denke, das sollten wir noch in das Interview einbringen: Ich habe mein ganzes Leben lang Helden für LEGO dargestellt, aber ich möchte eine neue Art von Helden vorstellen: „Weroes“. Es ist eine Kombination aus „wir“ (engl.: we), was für die Gemeinschaft steht, und „Helden“ (engl.: heroes). Es kann aber auch als schwacher Held interpretiert (engl.: weak hero) werden, denn jeder muss sich seiner oder ihrer eigenen Schwäche stellen. Und wenn ich mir meine Vorbilder anschaue: Jacques Cousteau war ein dünner Kerl mit einer krummen Nase. Stephen Hawking war der schwächste Mensch, den man sich vorstellen kann, aber er hat uns trotzdem etwas über schwarze Löcher und das Universum beigebracht. Und heutzutage natürlich Greta Thunberg und andere Teenager, die den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen. Diese Kategorie ist die neue Art von Held, die wir für das nächste Jahrhundert brauchen. Und zu guter Letzt bedeutet „wero“ in der Sprache der Maori „Herausforderer“, es passt also wirklich gut und schlägt die Brücke zurück zu Bionicle.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Christian Faber für die Gelegenheit zu diesem Interview bedanken! Es war ein sehr langes und interessantes Gespräch, das noch viele Stunden hätte weitergehen können und das mir viele neue Aspekte über die Geschichte von LEGO und etlichen Themenreihen näherbrachte.
Mehr über Christian Faber, seine Zeichnungen und seine aktuellen Projekte findet ihr auf folgenden Plattformen:
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Außerdem hielt er im Februar 2021 einen Vortrag im Rahmen der TEDx-Talks an der Technischen Universität Dänemarks, in dem er ebenfalls auf die Entstehungsgeschichte von Bionicle und die Verknüpfung mit seinem eigenen Schicksal einging:
Jetzt seid ihr an der Reihe! War euch der Name Christian Faber bereits ein Begriff? Kanntet ihr die Details über die Hintergründe von LEGO Themen wie Bionicle, Aquazone oder Star Wars schon? Interessiert ihr euch für diese Aspekte und würdet gerne mehr Artikel dieser Art lesen? Tauscht euch gerne in den Kommentaren dazu aus.
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