Vor einigen Tagen berichteten wir über den bevorstehenden digitalen „Fan Day“ des LEGO House in Billund. Über 1.800 Interessierte registrierten sich und nutzten die Gelegenheit, Fragen an den Marketingvorstand zu stellen oder sich über die Produktentwicklung und Qualitätssicherung zu informieren. Da das Event mitten am Tag stattfand, fassen wir die wichtigsten Punkte nochmals zusammen.
Die Teilnahme an dem Event war an (fast) keine Bedingungen geknüpft: Jeder der sich vorab registrierte, konnte an den sechs Sessions teilnehmen. Bevor wir in die Details einsteigen, möchten wir euch nochmals die Programmübersicht des Events vor Augen führen.
Inhaltsverzeichnis
- Begrüßung durch den Geschäftsführer des LEGO Houses
- Interview mit Julia Goldin, Marketingvorstand LEGO A/S
- Fragen zur Produktentwicklung mit Poul Schou
- Neue Ausstellungsstücke im LEGO House
- LEGO Bauanleitungen mit Kim Yde Larsen
- Absage Skaerbaek Festival
- LEGO Qualitätsmanagement mit Bjarke Schonwandt, Quality Director
- Fazit
Begrüßung durch den Geschäftsführer des LEGO Houses
Um 13:30 begrüßte der Geschäftsführer des LEGO House, Jesper Vilstrup, die virtuelle Fangemeinde und berichtete über die Herausforderungen der letzten Monate. Das LEGO House musste bedingt durch die Pandemie 100 Tage schließen und konnte erst am 22. Juni 2020 wiedereröffnen. Seitdem ist die Besucherkapazität auf etwa 50% reduziert und neuen Hygienemaßnahmen erlassen worden, die mittlerweile ein Stück weit zum Alltag geworden sind.
Nach der Begrüßung startete das virtuelle Programm pünktlich mit dem Interview des Marketingvorstands, Julia Goldin.
Interview mit Julia Goldin, Marketingvorstand LEGO A/S
LEGO erwähnte erstmals auf der letzten Pressekonferenz auf der Nürnberger Spielwarenmesse die Zielgruppe der erwachsenen LEGO Fans. Vor über 400 aktiven Fans im Chat betonte Julia Goldin, dass die Adult Fan of LEGO (AFOL) intern schon immer eine wichtige Rolle gespielten haben, aber in den letzten Jahren mehr in Fokus rückten und nun mehr Erwachsene erreicht werden sollen. Gleichzeitig unterstrich sie nochmals, dass die Hauptzielgruppe weiterhin ganz klar die Kinder bleiben.
In diesem Zusammenhang mit der neuen AFOL-Strategie sei auch der Zukauf von Bricklink in letzten November ein wichtiger Zuwachs für LEGO. Die Website biete einen bedeutenden Service für erwachsene Fans und diese Zusammenarbeit wolle man intensivieren sowie das Serviceangebot ausbauen. Was genau Julia Goldin damit meinte, ließ sie leider offen, betonte aber , dass LEGO den Geist von BrickLink erhalten wolle.
Wie ihr auch sicher mitbekommen habt, scheinen sich die „neuen“ AFOL-Sets (18+-Serie) momentan durch eine hohe Komplexität, viele Teile und einer hohen UVP auszuzeichnen. Julia Goldin sicherte zu, dass auch in diesem Segment kleinere Sets mit einem niedrigen Preis in Planung seinen. Das AFOL-Produktportfolio soll in Zukunft breiter aufgestellt werden.
Vor zwei Wochen kündigt LEGO an, dass bis 2025 die Plastikverpackungen abschafft werden sollen und man dafür rund 400 Millionen Euro investieren wolle. Das sei ein großer Schritt, um die selbstgesteckten Ziele der Nachhaltigkeit zu erreichen. Auch bei der Produktion arbeite man weiterhin fieberhaft daran, alternative Rohstoffe zu finden. Man habe die Verantwortung für die Kinder die Nachhaltigkeit voranzutreiben.
Mit der Initiative „Learning through play“ möchte man auch benachteiligten Kindern eine Perspektive geben, Fertigkeiten und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Die Kreativität und das Spielverständnis sollen unter anderem die Problemlösungskompetenz stärken, aber auch für ein tieferes Verständnis von Zusammenhängen beitragen. In Kooperation mit UNICEF ist ein Projekt gestartet worden, um die digitalen Kompetenzen von Kindern zu verbessern und einen sicheren Zugang zu Onlinemedien zu schaffen.
Viele von euch mögen sich in den letzten Wochen gefragt haben, welche Motivation hinter der Kooperation mit IKEA bzw. Levi´s steht. Man wolle LEGO von einer anderen Seite zeigen und neue, innovative Produkte präsentieren, erklärte Julia Goldin dazu. Am Beispiel von IKEA erklärte sie, dass die neuen Boxen einen neuen Weg der Aufbewahrung in Kombination mit Spielerlebnis bieten würden. Damit solle für LEGO auch einer neuer News-Flow entstehen, der die Marke noch bekannter mache. Weitere Partnerschaften seien in naher Zukunft nicht geplant.
Ein wichtiges Thema für die vielen Fans ist die Frage, ob klassische Themen nochmal neu aufgelegt werden. Auf die konkrete Frage wie die Chancen für Bionicle stehen, antwortete sie: „It´s a very good question“ Kurzfristig stehen andere Produktreihen und Spielerlebnisse im Vordergrund, aber auf lange Sicht sei das natürlich nicht ausgeschlossen: „I would never say no“. Auf erneute Nachfrage, wie es mit einer Neuauflage von „Space“ oder „Castle“ stehe, antwortete sie nur: „We are definitely look into that“ und lächelt dabei.
Fragen zur Produktentwicklung mit Poul Schou
Einführung
Poul Schou, Senior Vice President Develpoment Department, berichtet zum Einstieg vom Aufbau des China-Geschäfts. In den Anfängen gab es noch keine frei handelbare Währung und man war quasi auf Tauschgeschäfte angewiesen. Mit der weiteren Öffnung des Landes verbesserte sich die Situation spürbar. Die asiatische Region ist immer noch ein langfristiger Wachstumsmarkt, wobei China in dieser Region die klare Nummer eins ist. Die neue Produktlinie „Monkie Kid“ ist erstmals in China für den chinesischen Markt entwickelt worden und spiegelt die Bedeutung der Region wider.
Mit den zunehmende Größe von LEGO soll auch die Produktangebot leicht ausgeweitet werden. Aktuell sind 1.800 Personen damit beschäftigt, Jahr für Jahr rund 400 Neuheiten zu entwerfen und zu vermarkten. Die Pandemie verdeutlichte, dass LEGO auch für ein gemeinsames Bauerlebnis steht. Bei Technic-Sets oder anderen komplizierten Modellen lässt die Bauanleitung aber keinen Raum für ein gemeinsames Bauen. Deshalb denkt man darüber nach die Sets bzw. die Anteilungen so zu verändern, dass in Zukunft mehr Family Build möglich sein soll.
Produktzyklen
Normalerweise sind bei LEGO in den Standardlinien Produktlebenszyklen von ca. 2 Jahren geplant. Natürlich kann es immer wieder mal zu Abweichungen kommen. Das beste Beispiele ist Ninjago. Ursprünglich war die Reihe mit zwei Jahren eingeplant und sollte von Nexo Knights oder Chima abgelöst werden, aber es kam bekanntlich anders, denn die Erfolgsserie feiert mittlerweile den 10. Geburtstag. Ein Beispiel für eine verkürzte Lebensdauer ist dagegen Hidden Side. Die Sets der zweiten Welle 2020 sind nicht mal ein Jahr präsent gewesen.
Generell versucht LEGO die Lebenszyklen leicht auszuweiten. Das ist insbesondere bei exklusiveren Sets zu beobachten. Manchmal wird sogar das Management von der Nachfrage überrascht, denn man konnte im Fall der beiden Ideas-Sets (Saturn V und Schiff in der Flasche) schlicht nicht schnell genug die Produktion wieder hochfahren. Deshalb soll es zu der fast einjährigen Pause gekommen sein.
Trotz allem überrascht die Aussage ein bisschen, denn die Entwicklungszeit für ein durchschnittliches Set gibt Poul Schou mit ca. 12-15 Monaten an. Kleinere Set können aber im Einzelfall noch schneller entstehen, so entstand beispielsweise das LEGO Star Wars 75318 The Child in nur 9 Monaten.
Bei den relativ kurzen Verkaufsperioden stellt sich bei euch zu Recht immer wieder die Frage, wie lange LEGO einen technischen Support anbietet. Insbesondere bei den Sets mit einer App-Steuerung wird das Thema heiß diskutiert. Poul Schou führte dazu aus, dass man versuche den Support auch eine möglichst lange Zeit nach Verkaufsende anzubieten. Da das App-Angebot aber relativ teuer sei, ist jedoch damit zu rechnen, dass der Support ca. 5-6 Jahre nach Marktaustritt eingestellt wird.
Sticker
Schon seit vielen Jahren kommen bei LEGO regelmäßig Sticker zum Einsatz und fast ebenso lange tauschen wir uns über den Sinn oder Unsinn aus. Generell werden wir auch in Zukunft an vielen Stellen Aufkleber bekommen, weil Dekorationen damit besser dargestellt werden können. Die jungen Baumeister haben aber oft große Schwierigkeiten die Sticker anzubringen. Deshalb sind die Sets mit einer niedrigen Altersempfehlung mit weniger Aufkleber ausgestattet. Ob ein Stickerbogen zum Einsatz komme, hänge jedoch immer vom konkreten Set und der Komplexität ab. Ein bisschen Hoffnung können sich die Besitzer von älteren Sets machen, denn auf Nachfrage will LEGO überlegen, ob der Bezug von alten Aufkleberbögen möglich werden soll.
Wenig Chancen dürfte dem Comeback von Brettspielen eingeräumt werden, denn der Erfolg sei in der Vergangenheit mäßig gewesen. Daher ist eine Neuauflage recht unwahrscheinlich. Das sind natürlich keine gute Nachrichten für die Supporter des Hero Quest-Entwurfs auf Ideas.
Zum Schluss noch ein Punkt, der für die Fans der digitalen Bauten interessant ist: Nach dem der Support für den LEGO Digital Designer (LDD) eingestellt wurde, gibt es in der LEGO Gruppe nur noch die Option über stud.io von BrickLink digital zu bauen. Poul Schou deutete an, dass man in Billund an einer Folgelösung arbeiten würde, so dass bald wieder eine „offizielle“ Lösung angeboten werden kann.
Neue Ausstellungsstücke im LEGO House
Seit 2017 werden die besten Entwürfe der erwachsenen Fans auch im LEGO House gezeigt. Dafür wird jedes Jahr im Frühling ein Wettbewerb auf Ideas veranstaltet. Die diesjährigen Gewinner zum Thema „An alternative nature build“ präsentierte der LEGO House Master Builder Stuart Harris, der für die Auswahl der Ausstellungsstücke verantwortlich ist.
Unter anderem würdigte er den Hauptpreisträger „The Lizard“ für den kreativen Prozess, den der Entwurf sehr anschaulich darstellt. Ebenfalls wurde der zweite Hauptpreisträger in der Kategorie „nature Build“ hervorgehoben: „Leopard Cat“ zeichne sich durch die sehr gelungene Farbwahl aus, die das Modell sehr natürlich wirken lassen. Beeindruckt zeigt sich Stuart Harris auch von den Folgeplätzen. Er hob den „Lava Dolphin“ und „Serpent Elementalis“ für die außergewöhnliche Farbwahl und die Bautechniken hervor. Alle Gewinner der Wettbewerbs könnt ihr bei euren nächsten Besuch in Billund selbst in Augenschein nehmen.
LEGO Bauanleitungen mit Kim Yde Larsen
Evolution der Anleitungen
Die Bauanleitungen sind für jeden Fan ein zentrales und notwendiges Element, um ein Set erfolgreich aufzubauen. Wie Kim Yde Larsen, Senior Director Building Instruction Experience, berichtet, spiegeln sich im Laufe der Jahre die geänderten Anforderungen auch in den Anleitungen wider: 1960 waren die Sets noch recht einfach und bestanden nur aus wenigen Teilen. Zu diesen Zeiten reichte meist ein einfaches Blatt mit einer Hand voll Bauschritten aus.
20 Jahre später sah das schon anders aus, denn die Sets wurden komplexer, die Anzahl der Teile wuchs und auch die vorsortierten Plastiktüten für die Unterteilung der Bauabschnitte zogen in die Kartons ein. Heute sind wir noch einen Entwicklungsschritt weiter: Neben einer normalen Bauanleitung gibt es für nahezu alle Sets auch schon eine digitale Variante und in machen Sets finden wir gleich mehrere Anleitungen, die den separaten Bau von Submodellen erlauben.
Der Wandel der Anleitungen wird auch auf den Kartons vollzogen. In der einfachen Standardreihe wie z.B. CITY wirkt das Design noch relativ aufgeräumt, aber wenn wir unseren Blick mal auf die Hidden-Side-Sets werfen, fällt auf, dass eine viel höhere Informationsdichte abgebildet wird. Als Beispiel sind die enthaltene APP, das AR-Konzept und die neuen Spielfunktionen zu nennen.
Designsprache
Die besondere Schwierigkeit für LEGO besteht darin, für jedes Set die richtige Designsprache für den Karton, aber auch für die Anleitung zu treffen, denn sie ist der Schlüssel für das empfundene Bauerlebnis. Dazu tragen entscheidend die Wahl der jeweiligen Bauteile, die Farbwahl der Steine und die Positionierung des bisherigen Modells auf der Anleitung bei. LEGO lässt aus gutem Grund auch innerhalb eines Set den Schwierigkeitsgrad variieren, denn so werde das Bauen als abwechslungsreich empfunden. Deshalb folgen auf anspruchsvolle Bauschritte wieder leichtere.
Ein schönes Beispiel für eine unterhaltsame Bauanleitung könnt ihr in der neuen „Monkie Kid“-Reihe entdecken. Am unteren Ende zeigt euch eine Minifigur den Baufortschritt an und immer wenn etwas besonders zu beachten ist, wie zum Beispiel das Öffnen einer neuen Tüte oder eine Drehung des Modells, weist euch eine weitere Minifigur spielerisch darauf hin.
Sollten euch Fehler in der Anleitung auffallen, können wir nur empfehlen diese an den Kundenservice zu melden. Dort kann euch entweder direkt weitergeholfen werden oder das Problem wird aufgenommen und an die entsprechende Abteilung zur Verbesserung weitergeleitet. Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass manche Anleitungen auch noch während der Produktlaufzeit überarbeitet werden.
Aktuelle Themen
Aktuell versucht LEGO eine Lösung für die Hintergrundfarbe der 18+-Sets zu finden. Dort kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten, wenn dunkle Steine verbaut werden sollen und der Hintergrund ebenfalls schwarz ist. Der dunkle Hintergrund erschwert die Farberkennung und an manchen Stellen ist die Positionierung der im Bauschritt zu verbauenden Steine unklar. LEGO kennt das Problem und versucht eine geeignete Lösung zu erarbeiten. Ein wenig kurios mutet an, dass selbst eine gelbe oder rote Umrandung keine große Hilfe sei.
Ebenso die bessere Unterscheidung von schwarzen und dunkelbraunen Steinen hat LEGO auf dem Radar. Besonders, wenn die Lichtverhältnisse nicht optimal sind, fällt eine farbliche Unterscheidung meist schwer. Eine bessere Ausleuchtung des Bautisches könnte eine simple Idee sein, doch manche von euch haben bestimmt auch schon mal mit dem Hochglanzpapier gehadert, das das Licht stark reflektiert. Hier kann LEGO leider keine schnelle Verbesserung in Aussicht stellen, da in der Papierindustrie und im Großhandel die Hochglanzvariante ein wesentlich höheres Angebot bietet und die Beschaffung einfacher und etablierter ist.
Während die Abgrenzung von schwarzen und dunkelfarbigen Steinen bei schwachem Licht einige Anstrengung erfordert, können Menschen mit Farbenblindheit diese Unterschied gar nicht mehr erkennen. Auf Nachfrage erklärte LEGO, dass über einen Nummerncode nachgedacht wird, der es Betroffenen ermöglicht, die unterschiedlich Farben zu erkennen. Bei LEGO Education soll das Konzept schon im Einsatz sein, aber auch für die Massenprodukte wird an Umsetzung gearbeitet.
Jede Anleitung habe ihre Herausforderung betonte LEGO. Während für die ganz jüngste Zielgruppe mit realistischen Bildern gearbeitet wird, um die Bauschritte nachvollziehbar zu gestalten, wird den älteren Kunden mehr Abstraktion abgefordert. Besonders bei größeren Technic-Sets, die auch Neukunden ansprechen sollen, steht LEGO vor dem Spagat, dass die Anleitung sowohl für Unerfahrene als auch für Stammkunden verständlich sein soll.
Die etwa 60 Mitarbeiter der Anleitung-Abteilung sind ständig mit den Kollegen aus der Design-Abteilung im Austausch, um Änderungen abzustimmen und eine effiziente Produktentwicklung zu gewährleisten. Dafür wird intern jede Anleitung von LEGO selbst, aber auch von einer externen Testgruppe auf ein schlüssiges Ergebnis geprüft. Wie wir schon erwähnt haben, endet der Prozess aber nicht mit der Markteinführung, sondern wird bei Verständnisproblemen der Kunden erneut in Gang gesetzt.
Absage Skaerbaek Festival
Seit 2015 organisieren die Fans das „Skaerbaek Fan Weekend“ selbstständig. Neben zwei großen Ausstellungshallen, in denen auch Besucher die neusten Bauwerke bewundern können, steht für die Teilnehmer das Networking im Vordergrund.
In diesem Jahr musste das Orga-Team eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle durchleben. Nach den ersten Berichten über COVID-19 und den Lock-Down im März war noch Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation vorhanden. Doch je näher der Termin rückte, desto mehr zeichnete sich ab, dass das Event stark gefährdet war. Reisebeschränkungen, Restriktionen hinsichtlich der Teilnehmerzahl und der Ausstellung zwangen die Veranstalter dann zur Absage.
Ob das Event im nächsten Jahr stattfinden kann, steht leider völlig in den Sternen, da niemand voraussehen könne, wie sich die Lage entwickeln wird. Wir hoffen an dieser Stelle das Beste und drücken die Daumen, dass wir uns in 2021 wieder auf das „Skaerbaek Fan Weekend“ freuen können.
LEGO Qualitätsmanagement mit Bjarke Schonwandt, Quality Director
Wie arbeitet das Qualitätsmanagement?
Nach einer kurzen Vorstellung seiner Person erläuterte Bjarke Schonwandt kurz die Arbeit des Qualititätsmanagements. Die zentralen Daten für seine Arbeit stammen vom Kundenservice, erläuterte er. Die dort erfassten Probleme und Beschwerden der Verbraucher werden von seiner Abteilung gemessen und je nach Dringlichkeit an die verantwortlichen Kollegen weitergeleitet.
Intern konnte man bisher einen Zusammenhang zwischen den am Markt befindlichen Modellgrößen und der Quote der Kundenbeschwerden erkennen. Auffallend ist, dass gerade in den letzten beiden Jahren die Beschwerdequote wieder stark zunahm und aktuell auf den höchsten Stand der letzten 12 Jahre liegt. Die Zahl an sich sagt allerdings nicht viel aus, denn wir wissen ja nicht was die Kunden reklamieren.
Zum Glück konnte Bjarke Schonwandt eine grobe Übersicht zur Verfügung stellen. Daraus ging hervor, dass 86% der Beanstandungen auf fehlende Teile entfallen. Hiervon beklagen etwa 50%, dass Einzelteile verloren gegangen sind, weitere 25% reklamieren falsche Teile und 15% fordern neue Minifiguren an.
Der vermeintlich hohe Anteil der Minifiguren lässt sich jedoch einleuchtend erklären, denn oftmals gehen die Figuren beim Spielen verloren und werden dann über den Kundenservice ersetzt. Funfact: Die meisten Minifiguren werden übrigens für die Ninjago- und Star Wars-Serie ersetzt 😉
Nur in etwa 10% der Fälle liegen systematische Fehler vor, die die Produktionsabläufe betreffen und nähere hausinterne Untersuchungen folgen lassen. Ein sehr bekanntes Beispiel aus der Vergangenheit ist der LEGO Ideas 21303 Wall-E, dessen Kopf ständig kippte. Der Konstruktionsfehler wurde durch ein „Reparatur-Kit“ behoben.
Farbabweichungen
Das aktuell größte Sorgenkind im Sortiment ist das Flagschiff-Set aus der LEGO Technic-Reihe: Der 42115 Lamborghini Sian. Schon kurz nach dem Verkaufsstart machten Berichte über Farbabweichungen die Runde, die besonders am Heck auffällig sind. Durch die Vielzahl der Meldungen beim Kundenservice rückte der Fall sehr schnell ins Visier der Qualitätsmanager.
Zwei Gründe konnten im Produktionsablauf identifiziert werden: Zum einen fand LEGO heraus, dass ein Teil zu lange in der Mould-Maschine verblieb und deshalb die Farbpigmente regelrecht verbrannt wurden. Durch eine Umstellung im Produktionsablauf sei der Fehler behoben, versicherte Bjarke Schonwandt.
Der zweite Grund ist aber viel tiefgreifender und wurde in der Lieferkette identifiziert: Den Produzenten des Granulats werden bestimmte Farbtoleranzen eingeräumt. In der Vergangenheit lagen die unterschiedlichen Zulieferer innerhalb dieser Toleranzen sehr dicht beieinander. Doch seit etwa zwei Jahren stellt LEGO fest, dass sich die Farbabweichungen innerhalb der Toleranzen aus unbekannten Gründen ausgeweitet haben. Obwohl die Vorprodukte immer noch innerhalb der Vorgaben angeliefert werden, ist am Endprodukt eine Farbabweichung erkennbar. Zum aktuellen Zeitpunkt ist der Sachverhalt immer noch ungelöst.
Wahrscheinlich dürfte die Erklärung auch für anderen Sets gelten, die in der jüngsten Vergangenheit durch Farbabweichungen aufgefallen sind. Einige von euch berichteten in unseren Kommentaren davon, dass beispielsweise beim Creator 10271 Fiat 500 F, beim Star Wars 75275 UCS A-Wing oder bei der Creator 10270 Buchhandlung größere Toleranzen aufweisen. Ebenfalls seit etwa zwei Jahren laufen Vorbereitungen zur Produktionsumstellung für den Einsatz von mehr nachhaltigeren Materialien. Ob es hier einen Zusammenhang gibt, blieb unklar.
Unabhängig davon bestätigte der Qualitätsmanager auf Nachfrage, dass generell die dunklen Farbtöne (Dark Red, Dark Blue, Dark Green usw..) neben einigen hellen Pastelltönen, die bei Friends benötigt werden, am anspruchsvollsten in der Produktion sein sollen.
Einfluss der nachhaltigen Werkstoffe
Fakt ist, dass wir uns leider auf einige Änderungen einstellen müssen, die nachhaltige Materialien anscheinend nach sich ziehen. Besonders auffällig wird der Effekt bei Trans-Clear-Elementen sein. Bedingt durch die neuen Materialien trüben sich die ehemals durchsichtigen Elemente leicht ein und erhalten einen leicht milchigen Eindruck. In kleineren Bauten dürfte das zwar kaum bemerkbar sein, aber in großen Sets mit vielen Trans-Clear-Elementen oder großen MOCs, in denen die Elemente oft nebeneinander verbaut sind, wird das zum Problem.
Bjarke Schonwandt berichtet von einer weitere Umstellung im Produktionsablauf, die ich der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt lassen möchte: LEGO stellte klar, dass kein vorgefärbtes ABS mehr verwendet wird, sondern mittlerweile die transparente Variante im Einsatz ist. Hintergrund der Entscheidung ist eine einfachere und flexiblere Lagerhaltung.
Ungeklärt sei auch noch die Fragestellung, warum manche Aufkleber nach Jahren aufplatzen können. LEGO konnte diesen Effekt in Zusammenarbeit mit den Zulieferern weder reproduzieren noch eine eindeutige Ursache erkennen.
LEGO Einzelteile im Laufe der Zeit
Viele von euch werden die Erfahrung gemacht haben, dass die LEGO Steine im Laufe der Jahre auf intensives Sonnenlicht mit einer Ausbleichung reagieren. Bjarke Schonwandt weiß, dass die weißen Teile davon am stärksten betroffen sind. Da bei manchen Elementen die Farbpigmente ermüden und bei anderen aber das Plastik Alterserscheinungen nach Jahren aufweist, ist die Ursachenforschung schwer. Interne Testreihen hätten innerhalb der festgelegten Zeiträume keine Klärung ergeben. Mit einem Schmunzeln auf der Lippe, empfiehlt er nicht ernst gemeint, die Teile mit Sonnencreme zu behandeln. 🙂
Die Chrom-Fans müssen weiterhin mit einer sehr geringen Aussicht auf eine Wiederkehr auskommen. Bjarke sprach davon, dass vermutlich die sehr komplexe und anfällige Produktion zum Delistung geführt hat. Auf die Frage, ob die Teile jemals wieder kommen, antwortete er mit einem ehrlichen: „I don´t know“.
Gefühlte Fehler
Neben offensichtlichen Fehlern in der Produktion kümmert sich das Qualitätsmanagement auch um empfundene Fehler, die einer Vielzahl der Kunden auffallen. Als Beispiel nannte er zwei Bauanleitungen, wo es oftmals zu einer Verwechselung von Teilen kommt und in der Folge dazu führt, dass in einem viel späteren Bauschritt das benötigte Teil fehlt. Die Passagen seien zwar objektiv korrekt dargestellt, da sie aber nicht so wahrgenommen werden, sind entsprechende Änderungen zum besseren Verständnis veranlaßt.
In diesem Zusammenhang bestätigte er auch, dass die Farben in der Bauanleitung manchmal nicht exakt den Teilefarben entsprechen. LEGO möchte für die Farbdarstellung einen 3D-Effekt erreichen. Um diesen Effekt zu erzielen, werden den ursprünglichen Farben zusätzliche Farbpigmente zugefügt, die bei einem direkten Farbvergleich zwischen LEGO Stein und Anleitung zu einer minimalen Differenz führen können.
Kurz vor Ende der Fragerunde wurde Bjarke Schonwandt nach dem am meisten nachgelieferten Teil gefragt. Mit einem Lächeln meinte er, dass das ganz klar der Schlüsselanhänger sei, denn dieser werde oft bei Beanstandungen als kleine Wiedergutmachung an die Kunden versandt. Die tatsächlich angeforderten Teile variieren, so dass aus seiner Sicht kein eindeutiges Problem zu erkennen ist.
Die größte Probleme der Zukunft
Bleibt die Frage nach den größten Problemfelder der Qualitätssicherung in der nächsten Zukunft. Auf kurzfristige Sicht ist das ganz eindeutig die Klärung der ausgeweiteten Farbtoleranzen: „The most present one is over here“, sagte Bjarke Schonwandt und zeigt dabei auf den Technic-Lamborghini neben ihm.
Auf lange Sicht wird die vermehrte Umsetzung auf eine nachhaltige Produktion LEGO vor große Herausforderungen stellen. Man werde die bekannten Wege verlassen müssen und unbekanntes Terrain betreten, aber trotzdem wolle man den Premium-Qualitätsstandard halten. Die bisherigen Erfahrungswerte im Umgang mit den Werkstoffen werden auf diesen Weg aber nur sehr bedingt weiterhelfen.
Fazit
Das war meine erste Teilnahme an einem „LEGO House Fan Day“ und ich muss sagen, dass es sich für mich gelohnt hat. Die Interaktion in dem digitalen Format klappte sehr gut und nach meiner Beobachtung wurden vielen Fragen aus dem Chat übernommen.
Mein Hauptinteresse galt natürlich dem Qualitätsmanagement, aber auch in den anderen Einheiten gab es interessante Infos. Nachdem die Marketing-Chefin sagte, dass man die Rückkehr von klassischen Themen prüfe, gönne ich mir ab sofort einen kleinen Hoffnungsschimmer auf eine baldige Wiederkehr. Es würde auf jeden Fall gut zur AFOL-Strategie und den nostalgischen Gefühlen viele Fans passen.
Ein wenig überraschte mich auch die Aussage, dass LEGO für die gesamte Produktentwicklung von „The Child“ nur 9 Monate brauchte. Das liegt deutlich unter meiner Erwartung und zeigt, dass LEGO erstaunlich schnell auf Marktbegebenheiten reagieren kann.
Erfrischend offen erlebte ich den Qualitätsmanager, Bjarke Schonwaldt. Ohne zu zögern und den Versuch einer Ausrede, berichtete er von den ausgeweiteten Toleranzen und gab Einblicke in seinen Arbeitsbereich. Ich persönlich kann zwar nicht verstehen, wie Änderungen in der Lieferkette quasi über Nacht aus dem Nichts kommen können, aber es ist zumindest eine Erklärung. Mit Sorge betrachte ich, dass während der letzten zwei Jahren keine Lösung gefunden wurde. Immerhin verdoppelte sich die relative Beschwerdequote innerhalb dieser Zeit auf den höchsten Stand der letzten 12 Jahre. Das sollte ein Warnsignal sein!
LEGO wird auf seinem Weg zu mehr Nachhaltigkeit gewaltige Anstrengungen zu meistern haben und ich bin mir sicher, dass wir einige Auswirkungen in manchen Sets erleben werden. Die Aussicht auf eine längere Zeit mit „milky“-Trans-Clear-Teilen wird eventuell nur ein Vorgeschmack sein. Ich wünsche LEGO, dass eine gute und geräuschlose Lösung gefunden werden kann.
Wie wichtig der Kundenservice ist, zog sich meiner Meinung nach wie ein roter Faden durch den ganzen Tag. Die Mitarbeiter sind die erste Anlaufstelle für Probleme jeder Art und auch wenn manches Anliegen aussichtslos erscheint, könnte es doch dazu beitragen, Probleme besser und schneller zu erkennen. Der Fall des Lamborghini führt uns vor Augen, wie schnell die Alarmglocken bei LEGO klingeln können.
Was denkt ihr zum digitalen „Fan Day“? Ist das Event zumindest eine Notlösung oder überflüssig? Haben euch die Entwicklungszeiten überrascht oder habt ihr LEGO diese Tempo zugetraut? Wie findet ihr das digitale Bauen? Was haltet ihr von den Farbabweichungen? Welche Erfahrungen habt ihr mit den Kundenservice gemacht? Konnte euch dort immer geholfen werden? Schreibt uns eure Meinung gerne in die Kommentare.